20.12.2010

Konzentration von Expertenwissen

Artikel: SMM

Im Januar kommenden Jahres findet das 9. Swissmem Zerspanungsseminar statt. Hier trifft sich das «who is who» der Schweizer Zerspanungsbranche und berichtet über den aktuellsten Stand ihrer Entwicklungen. Die Schweizer Werkzeughersteller zeichnen sich unter anderem durch ihr Spezialistenwissen aus, weil sie Branchen bedienen, die in vielen Fällen Spezialitäten fertigen. Der SMM sprach im Vorfeld mit René Näf, einem der Mitorganisatoren des Swissmem Zerspanungsseminars und Vice President der Urma AG.

SMM: Herr Näf, das 9. Swissmem Zerspanungsseminar findet im Januar an drei Standorten statt. Zweimal in der Deutschschweiz (Olten und Regensdorf) und einmal in der Westschweiz (Yverdon). Werden die Vortragsthemen Regionen-spezifisch sein?
René Näf: Einzelne Vorträge sind tatsächlich eher auf die Bedürfnisse der regionalen Anwender abgestimmt. So wird beispielsweise in der Westschweiz ein grösseres Gewicht auf die Mikrozerspanung gelegt. Die Vortragsreihe ist jedoch so ausgelegt, dass die Themen für alle Zerspaner interessant sein können.

SMM: Das letzte Swissmem-Zerspanungsseminar fand vor zwei Jahren statt. Wie stark sind denn die Entwicklungssprünge im Werkzeugbereich innerhalb dieser kurzen Periode?

R. Näf: Wir leben in einer Zeit, in der Quantensprünge in der Entwicklung selten geworden sind. Es ist die Summe der kleinen Schritte, die zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beträgt. Für mich stellt sich daher nicht in erster Linie die Frage, wie gross die Entwicklungssprünge sind, sondern: Was können wir Werkzeughersteller tun, um die Anwender zu motivieren, die vorhandenen Technologien sinnvoll und effizient einzusetzen? Denn was nützen uns tolle Konzepte und zukunftsweisende Verfahren, wenn sie in der Praxis nicht umgesetzt werden?

SMM: Es fällt auf, dass gleich drei Vorträge das Thema Beschichtung thematisieren. Das ist gemessen an der Anzahl der Beschichtungsunternehmen im Verhältnis zu den Werkzeugherstellern ein sehr hoher relativer Anteil. Haben Beschichtungen einen derartig hohen Stellenwert?

R. Näf: Beschichtungen sind zweifellos ein sehr wichtiger Teil der Zerspanungstechnologie. Sie tragen massgeblich zum Erfolg oder Misserfolg in der Bearbeitung bei. Es gibt wohl kaum ein Zerspanungswerkzeug - ausgenommen Schleifscheiben - bei dem Beschichtung nicht zumindest ein Thema ist.

SMM: Bei der Titanbearbeitung arbeiten die meisten Werkzeughersteller meines Wissens noch immer ohne Beschichtung. Wird man hierzu am Zerspanungsseminar etwas Neues erfahren?
R. Näf: Ich möchte den Referenten nicht vorgreifen, zumal ich die Inhalte ihrer Vorträge nicht im Detail kenne. Aufgrund der Themenvorgabe ist anzunehmen, dass wir über die Bearbeitung von exotischen Werkstoffen mit geeigneten Beschichtungen etwas hören werden.

SMM: Aus ihrem Haus behandelt Urs. W. Berner den Einzug Digitaltechnik in Zerspanwerkzeugen. Welchen Nutzen bringt das und wie prozesssicher sind solche Werkzeuge im Alltragsbetrieb?

R. Näf: Genau das werden die Themen sein. Es sind heute einige digitale Werkzeugkonzepte auf dem Markt und man muss sich die Fragen stellen, wo sie sinnvoll eingesetzt werden können. Urma geht hier einen völlig neuen Weg und wird diese Weltneuheit erstmals an der Prodex präsentieren. Das hervorstechendste Merkmal der Urma-Digitec-Lösung ist die Verschiebung der wartungsintensiven Elektronikbauteile aus den Werkzeugen in ein separates Anzeigegerät. Damit sind Werkzeuge dieser Bauart wesentlich prozesssicherer im Alltag. Die intuitive Bedienung der Hybridwerkzeuge (sie können sowohl digital als auch analog eingestellt werden) ermöglicht eine fehlerfreie µ-genaue Verstellung der Feinbohrköpfe. Und das zu einem hochinteressanten Preis.

SMM: Das Swissmem Zerspanungsseminar findet nun bereits zum 9. Mal statt. Die Schweizer Werkzeughersteller gelten nach ihrer eigenen Aussage als sehr innovativ. Was waren aus Ihrer Sicht technologische Meilensteine, die im Rahmen der bisherigen Swissmem Zerpanungsseminare vorgetragen wurden?

R. Näf: In den vergangenen 18 Jahren (so lange gibt es das Zerspanungsseminar) haben sich Werkzeuge, Maschinen und Bearbeitungsverfahren in vielen Bereichen stark verändert. Wie vorher schon erwähnt, sind es aber nicht die grossen Würfe, die das Zerspanungsseminar prägen, sondern die vielen kleinen Schritte aus der Praxis, die zur Effizienzsteigerung beitragen. Wir sind bestrebt, durch permanentes Vermitteln von unspektakulärem Praxis-Wissen die Anwender für die neuen Technologien zu begeistern. In vielen Vorträgen wurde aufgezeigt, wie und wo markante Verbesserungen der Wirtschaflichkeit möglich sind.

SMM: Man spricht immer wieder auch von einer Wechselwirkung der Entwicklungsbeziehungen zwischen Werkzeugmaschine und Werkzeugen. Wie sieht eine solche Wechselwirkung konkret aus und spielt in diesem Zusammenhang auch der übergreifende Vortrag von Fischer Spindel eine Rolle?

R. Näf: Maschinen und Werkzeuge stehen tatsächlich in direkter Abhängigkeit zueinander. Nehmen Sie als Beispiel die Hochgeschwindigkeitsbearbeitung. Für HSC-Maschinen müssen sowohl die Werkzeuge als auch die Bearbeitungsstrategien angepasst werden. Ein anderes Beispiel ist die Mindermengenschmierung. Ohne entsprechende Anpassungen von Werkzeug und Maschine ist das Verfahren kaum einsetzbar.

SMM: Die Schweizer Werkzeughersteller sind eher kleine Unternehmen im weltweiten Vergleich. Wie schaffen es die Schweizer Hersteller trotzdem, ohne 100-köpfiges Entwicklungsteam, technologisch an der Spitze zu stehen?

R. Näf: Schweizer Werkzeughersteller sind vorwiegend Nischenplayer. Sie sind ausgezeichnet positioniert in ihrem Spezialgebiet und konzentrieren dort ein hohes Expertenwissen. Dank unserem hervorragenden Ausbildungssystem und der Schweizer Mentalität sind wir gute Anwendungspraktiker. Bei den Werkzeugherstellern, die im Swissmem organisiert sind, wird nicht Grundlagenforschung, sondern vorwiegend anwendungsorientierte Entwicklung betrieben. Von dort kommen oft auch die Ideen zu noch effizienteren Werkzeugen. Für eine gute Idee braucht es nicht 100 Köpfe.

SMM: An wen richtet sich konkret das Zerspanungsseminar und was bietet es zusätzlich ausser Fachvorträgen?

R. Näf: Das Zerspanungsseminar richtet sich an die Führungskräfte in den Werkstätten, in der Fertigungsplanung und speziell an die Praktiker an den Werkzeugmaschinen. Parallel dazu finden jeweils in den Foyers Fachausstellungen statt. Während Kaffee- und Mittagspausen bietet sich dort die Gelegenheit, sich mit den Referenten und den jeweiligen Herstellern in Fachgespräche zu vertiefen. Jeder Teilnehmer erhält die Vorträge auf einem USB-Stick und als Konzentrat in gedruckter Form. Somit kann er auch die verpassten Vorträge nachlesen.